Bericht DEM/Schachgipfel
Die 90. Deutsche Einzelmeisterschaft im Schach wurde vom 25.05. - 01.06.2019 in der Schachhochburg Magdeburg ausgetragen. Magdeburg ist keine Unbekannte auf der schachlichen Landkarte, so findet sich hier einer der Mitgliederstärksten Vereine des deutschen Schachbundes: die Schachzwerge Magdeburg, bekannt durch eine fantastische Jugendarbeit.
Nachdem die Causa Jordan den deutschen Schachbund in den vergangenen 12 Monaten zu einer kompletten Neuaufstellung der deutschen Meisterschaft gezwungen hatte, wanderte diese von Radebeul nach Magdeburg. Als Spielort wurde die “Festung Mark” auserkoren. Eine ungewöhnliche Location für ein Schachturnier – allerdings durchaus mit eigenem Charme.
Eingebunden wurden die deutschen Einzelmeisterschaften der Männer und Frauen in die “German Masters” (zwei mit Nationalspielern gespickte Rundenturniere), die Endrunde der Pokal-Einzelmeisterschaft sowie die Endrunde der DSAM. Während die Festung Mark an den ersten Turniertagen nur die Teilnehmer der DEM und Masters beherbergte, schlug die Anwesenheit von hunderten Schachspielern im letzten Turnierdrittel (DSAM/Pokal werden in fünf Runden an 3 Tagen ausgetragen) durchaus einige Wellen in den regionalen Medien – und dem nahegelegenem Griechen. Das Konzept “Schachgipfel” wahr ein großer Erfolg und soll in seiner Form auch so beibehalten werden.
Über die Spielbedingungen im Saal von DEM und Masters lässt sich kein schlechtes Wort verlieren. Die kostenfreie Verpflegung umfasste gekühlte Softgetränke aller Wahl, zu jeder Zeit genug Kaffee, Snacks, Obst und Süßkram. Auch die über die Woche aufkommenden Sommertemperaturen wurden von den massiven Festungsmauern gut unterdrückt und sicherten angenehme Spielbedingungen. Ein besonderes Lob möchte ich dem Schiedsrichter- und Organisationsteam aussprechen, die mit exemplarischer Aufmerksamkeit auftrumpften.
Um auch den sportlichen Rahmen einzufangen soll in der Folge ein kurzer Einblick in mein persönliches Turniererlebnis folgen.
Bereits vor Turnierbeginn war die Stärke des diesjährigen Feldes offenkundig. Wenngleich die deutsche Einzelmeisterschaft nach wie vor damit zu kämpfen hat Großmeister in größerer Zahl anzulocken, fanden sich in der Teilnehmerliste zumindest derer vier wieder.
Mein Erstrundengegner sollte 16-jährige IM Jakob Pajeken sein. Einer der vielen jungen Spielern die vom deutschen Schachbund einen Freiplatz bekommen haben. Mit geschickter Eröffnung und kraftvollem Spiel wandelte sich zu Mitte der Partie mein “du bist an 30 von 32 gesetzt – erwarte nicht zu viel” zu “warum eigentlich nicht?”. Ich übernahm die Initiative und setzte meinen Gegenüber im 30. Zug Matt. Mein erster Sieg gegen einen internationalen Meister.
Danken muss ich hier insbesondere der Sofia Regel, die uns Spielern den Remisschluss (solang nicht per Zugwiederholung) vor dem 40. Zug untersagte und mich vor dem Angebot der Punkteteilung bewahrte. Nichtsdestotrotz fand die hohe Zugzahl nicht bei allen Teilnehmern Anklang.
Die Euphorie der Auftaktpartie wurde in den Runden zwei und drei mit klaren Niederlagen gegen IM Pfreundt und GM Stern etwas getrübt, sodass in der vierten Runde dann mal wieder das Punkten von Nöten war. In einem farbverdrehten Königsinder konnte ich meinen zweiten Titelträger bezwingen. Soweit so gut! Der erste Doppelspieltag war überlebt und es war offenkundig, dass meine Befürchtung das “Opferlamm” spielen zu dürfen eher nicht Gestalt annehmen sollte.
In Runde 5 saß mir der zweite Teilnehmer aus Schleswig-Holstein gegenüber: Frederik Svane – qualifiziert durch seinen Vorjahressieg in der A-Gruppe der DSAM.
Es entbrannte eine spannende Partie in der Frederik am Ende mit taktischem Auge die Oberhand behalten sollte. Er schaffte es zudem über den gesamten Turnierverlauf selbst starken IMs/GMs mehr als nur ein Bein zu stellen. Punkteteilungen gegen IM Lubbe und GM Stern wurden in Runde 7 nahezu mit einem Sieg über GM Alexander Graf gekrönt - den Frederik am Rande der Niederlage hatte. Besonders beeindruckt hat mich Frederiks Fähigkeit nach beendeter Eröffnung stets eine halbe Stunde zu investieren und förmlich in die Stellung zu versinken um eine langfristige Strategie zu entwickeln. Leider ging ihm zu Turnierende etwas die Luft aus, sodass er sein starkes Turnier nicht abrunden konnte. Dennoch gibt es aus Lübecker Sicht allen Grund dazu, stolz auf den – wie ich mit Schrecken feststellen musste - gar nicht mal mehr so “Kleinen” zu sein.
Für mich begann ab Runde 6 hingegen eine Berg- und Talfahrt an verpassten Chancen. Zunächst folgten zwei Punkteteilungen am Doppelspieltag. Mit klarer Gewinnstellung gegen Andrei Trifan verpasste ich in einem typischen königsindischen Angriff auf den weißen König die gewinnbringende Verteidigung und musste mich letztlich mit einem Unentschieden nach fünf harten Stunden am Brett begnügen.
Mein Nachmittagsgegner und Vorjahresdritte Theo Gungl hatte hingegen einen entspannteren Vormittag. Sein Gegner erschien nicht zur Partie sodass Theo einen kampflosen Sieg einfuhr. Die angesetzte Vormittagsrunde wurde schlichtweg vergessen. Das Ulkige: Schachfreund Nosek war – wie alle anderen Teilnehmer – um 8 Uhr beim Frühstück. Eine sehr unglückliche Geschichte, insbesondere für Theo (der natürlich gerne gespielt hätte) und mich (der einem ausgeruhten 2300er am Nachmittag gegenübersaß).
Die Partie selber war wenig ereignisreich und endete im Remis.
Dem Tal ganz nah kam ich am Folgetag – der 8ten Runde – gegen den langjährigen Präsidenten des Deutschen Schachbundes, Herbert Bastian. Lange im Buch, klarerer Zeitvorteil, bessere Stellung – trotzdem verloren. Eine schmerzhafte Niederlage die aus meinem ohnehin guten Turnier ein hervorragendes hätte machen können.
Die Schlussrunde brachte mir dann den einzigen Gegner unter 2250 im gesamten Turnierverlauf ein, Reinhard Nosek. Etwas zu leichtherzig in die Partie gehend geriet ich kurzzeitig gar in Gefahr mein Turnier völlig zu ruinieren. Letztlich verteilte mein Gegenüber so einige verspätete Ostereier die mich mit 4/9 auf dem 24. Platz enden ließen. Eine tolle Erfahrung endete mit einem Resultat auf das ich stolz zurückblicke. Auch Frederik sammelte 4 Punkte (bei stärkerer Gegnerschaft) und belegte letztlich den 20. Rang.
Deutscher Meister 2019 wurde Niclas Huschenbeth hauchdünn vor Dmitrij Kollars (beide 8/9). Beide verdienen höchsten Respekt für ihre fantastische Leistung. Als Lohn sind beide für das German Masters im kommenden Jahr qualifiziert, welches in diesem Jahr von Nisipeanu und Meier (bei den Männern) und Kachiani-Gersinska (bei den Frauen) gewonnen wurde.
Aus schleswig-holsteinischer Sicht war das doppelte Treppchen bei der deutschen Fraueneinzelmeisterschaft mit Sicherheit das Highlight des Schachgipfels. Während Inken Köhler einen tollen dritten Platz errang, gewann Marta Michna souverän - ebenfalls mit 8/9 - den Titel. Anke Freter und Luba Kopylov vollendeten mit Platzierungen im unteren Drittel das Quartett aus Schleswig-Holstein.
Auch bei DSAM und Pokal erspielten SH-Teilnehmer so einige Erfolge – da diese jedoch auf einer anderen Etage ausgetragen wurden und ich somit wenig Einblick über das dortige Turniergeschehen habe kann ich diesbezüglich wenig Aufschluss geben. Für den interessierten Leser verweise ich hierfür - sowie für alle Ergebnisse und Partien der DEM – auf die offizielle Turnierseite www.Schachgipfel.de.
Beenden möchte ich meinen Erfahrungsbericht mit herzlichen Glückwünschen an Ullrich Krause, der auf dem Bundeskongress am letzten Turniertag zum Präsidenten des Deutschen Schachbundes wiedergewählt wurde.
Dustin Möller