Letztes Jahr wurde ich Vizelandesmeisterin punkt- und buchholzgleich mit Marthe Benzen.

Da Marthe aber die bessere Sonneborn Berger Wertung hatte, wurde sie Landesmeisterin und erspielte sich das Recht zur Teilnahme an der Deutschen Frauen Einzelmeisterschaft (DFEM 2020).

Doch da sie nicht mitspielen konnte, durfte ich teilnehmen. Nun wurde aufgrund von Corona der ursprüngliche Termin von Mai auf August verschoben. Im Rahmen des Meisterschaftsgipfels sollten sowohl die DFEM, die DEM, die Pokalendrunde, die German Masters, die German Masters, die offene Deutsche Meisterschaft der Senioren und das Finale der Deutschen Amateurmeisterschaft stattfinden. Doch weil Corona leider immer noch gegenwärtig ist, wurde das Finale der DSAM in diesem Jahr gestrichen und „nur“ noch die anderen Meisterschaften sollten stattfinden. Immer noch sehr viele Leute und so war ich mir nicht sicher, ob ich wirklich teilnehmen will. Ich fragte beim Veranstalter nach dem Hygienekonzept und dieses beruhigte mich etwas und ich beschloss, zwar mit etwas Bedenken, teilzunehmen.

Die Spielbedingungen wurden folgendermaßen angepasst:

Die Meisterschaften finden in getrennten großen Räumen statt, nur die beiden Masters spielen in einem Raum. Vor Betreten des Spielsaals ist eine Maske zu tragen und die Hände müssen desinfiziert werden. Am Brett darf die Maske abgenommen werden. Trinken am Brett ist erlaubt, aber wenn man etwas essen wollte, dann musste man es draußen im Flur machen und auf den Weg dorthin die Maske aufsetzen (beim Essen darf sie natürlich abgenommen werden). Zuschauer sind nicht erlaubt bzw. es durften nur einige wenige zuschauen, diese mussten aber vorher eine Erlaubnis besorgen. Der Raum wurde dauerbelüftet. Klang für mich gut, nur was ist, wenn die Gegnerin krank ist oder jemand ohne Maske reinkommt, auch wenn es verboten ist? Aber das kann auch im Supermarkt passieren, also hoffte ich auf vernünftiges Verhalten aller.

Die Anreise war nicht so schlimm, da es von Wolfsburg nach Magdeburg mit dem Zug nicht sehr weit ist. Vom Bahnhof zum Maritim Hotel ist es auch nicht weit. Das Hotel ist sehr schön, aber es gab eine Sache, die mich störte und die wohl in jedem Maritim Hotel so ist: Man muss den Fahrstuhl nutzen, Treppen sind zwar vorhanden, aber man konnte sie nur runter nutzen und auch nur bis zur Rezeption und nicht zwischen den Stockwerken oder vom Zimmer zum Spielsaal. Das ist sehr doof, weil ich lieber Treppen als den Fahrstuhl nutze und ich Fahrstuhl fahren Coronabedingt gefährlich finde. Hier galt das Konzept, dass wenn mehr als 2 Leute im Fahrstuhl sind, alle eine Maske tragen müssen. Problem: Wenn erst 2 Leute drin sind und einer dazusteigt, haben die Leute sich erst dann die Maske aufgesetzt, ich fand das eher nicht so schön.

Am Sonntag ging es nun los. Da ich in der Setzliste an 20 gesetzt war (von 23) war mein Ziel, nicht Letzte zu werden, schöne Partien zu spielen und die stärkeren Spielerinnen zu ärgern.

In der ersten Runde bekam ich es mit der Hamburgerin Teodora Rogozenko zu tun (DWZ 2012, Elo 1979). Die Hamburgerinnen spielen ihre Meisterschaft zusammen mit uns Schleswig-Holsteinerinnen aus, aber Teodora war letztes Jahr nicht dabei. Landesmeisterin aus Hamburg wurde Jade, sie konnte aber nicht mitspielen und ich hätte es dann gut gefunden, wenn die anderen Teilnehmerinnen nach ihrer Platzierung gefragt worden wären. Stattdessen wird aber eine Spielerin nominiert, die gar nicht teilgenommen hat, nur weil sie stärker ist? Ich finde das nicht gut. Die Landesmeisterschaften freuen sich, wenn starke Spielerinnen teilnehmen, aber wenn diese entweder so nominiert werden oder wie im Fall unserer zweiten Teilnehmerin aus Schleswig-Holstein über einen Freiplatz des DSB teilnehmen können, dann werden die Landesmeisterschaften abgewertet, weil die starken Spielerinnen nicht teilnehmen. Die ersten drei der letzten Deutschen Meisterschaft und die Siegerin der Offenen Deutschen sehe ich ein, ebenso die Kaderspielerinnen des DSB, aber mehr Freiplätze sollte es im Sinne der Landesmeisterschaften nicht geben.

Zurück zum Schach. Gegen Teodora kam ich gut ins Spiel und hatte nach 18 Zügen diese sehr gute Stellung erreicht:

Stellung nach 18. ... Tg6

Hier hätte ich nach Lf3 (droht Lg5) erheblichen Vorteil erzielen können:

Stellung nach 19. Lf3, Weiß steht klar besser, es droht Lg5 mit Damenfang. Schwarz muss den ganzen Turm geben!

Ich aber habe nicht richtig gerechnet und spielte gleich 19. Lg5, was immer noch eine bessere Stellung behält, aber nicht mehr so klar gewonnen ist. Einige Züge später hatte ich meine gute Stellung weggestellt, es war folgende Stellung erreicht:

Stellung nach 39. Tc7

Oberflächlich betrachtet sieht die Stellung gut für Weiß aus, aber nach 39... Sh5 habe ich nichts mehr und werde es wohl verlieren. Aber es war der 39. Zug kurz vor der Zeitkontrolle, die Gegnerin hatte lange nicht gespielt und am Brett sieht man nicht alles. Es folgte 39. ... Tb7? Und nach 40. Tgxg7+ gab sie auf und ich hatte eine stärkere Gegnerin geschlagen. Da die Drittwertung (erst die Punkte, dann die Buchholz) der Gegnerschnitt ist, war ich somit auf dem dritten Platz. Aber die Meisterschaft wurde natürlich nicht abgebrochen, sondern es gab noch 8 schwere Runden.

Rundenbeginn war in Einzelrunden um 14 Uhr und bei Doppelrunden um 10 und 16 Uhr.

Ich habe mich immer auf die Gegnerin vorbereitet, aber ohne Trainer und nur mit Chessbase, ist es natürlich nicht so effektiv, die Gegnerinnen haben meist alle einen Heimtrainer, der sie coacht.

Also blieb nach der Vorbereitung auch Zeit für Ausflüge, die ich mit meiner Freundin Elke aus dem Saarland unternahm. Wir waren z.B. im Magdeburger Zoo und im Elbauenpark. Über das drumherum habe ich beim Schachticker einen Bericht geschrieben, er kann hier nachgelesen werden.

Die nächsten Runden erspielte ich mir auch immer wieder gute Stellungen, z.B. gegen Katharina Mehling hatte ich folgende Stellung auf dem Brett:

Stellung nach 14...bxc4

Eine schöne Stellung, doch leider spielte ich reflexartig 15.Lxc4. Hier wäre 15. dxe6 oder 15. Lxg6+ viel stärker gewesen. Einige Züge später habe ich die Partie leider eingestellt, es folgte die folgende Stellung:

Stellung nach 22... Db7

Meine Gegnerin hatte eine Qualität geopfert, die Stellung ist schwierig, aber vermutlich noch haltbar, wenn z.B. 23. Ld4 oder 23. Db6 gekommen wäre. Ich spielte aber 23. f4 und meine schlechte Königsstellung rächte sich dann, und ich verlor.

In der fünften Runde bekam ich endlich eine Gegnerin, die von der Zahl her schlechter war. Aber auch gegen sie tat ich mich schwer, wir erreichten folgende Stellung:

Stellung nach 48... h5. 

Turmendspiele sollten aktiv gespielt werden. Schwarz hat zwar einen Bauern mehr, aber es ist wohl nur Remis. Meine Gegnerin hätte hier 49. Tc6 spielen können und mir das Leben schwer machen können. Aber sie spielte 49. g3 und nach 49...Td7 und 50. Tc6 gewann ich mit 50. Td3.

Stellung nach 50... Td3

Die nächste Runde verlor ich wieder und hatte in der vorletzten Runde spielfrei. Also was tun? Als Fahrradverrückte lieh ich mir natürlich ein Fahrrad, aber das war keine gute Idee, da dieser Tag extrem heiß und schwül war. Ich fuhr erst schön an der Elbe entlang, aber dann endete der Weg, was ich aber nicht einsah und weiterfuhr durch einen Trampelpfad mit mehreren Ranken. Dieser war aber irgwendwann zuende und ich musste zurück. Danach landete ich irgendwie in einem staubigen und heißen Industriegebiet, nicht wirklich schön und auch viel zu heiß. Ich hatte mit dem Kreislauf zu kämpfen, war aber mitten im Nirgendwo. Also erstmal was essen und trinken und dann zurück.

Die letzte Runde habe ich dann auch wieder verloren, so dass ich am Ende 3 aus 9 bzw. 2 aus 8, wenn man den kampflosen Punkt abzieht, hatte und drittletzte wurde. Da aber mein Schnitt extrem hoch war (nur eine Spielerin hatte weniger als 1800), habe ich nicht viele DWZ und Elopunkte verloren. Die Partien haben mir eigentlich ganz gut gefallen, aber am Ende reichte immer die Kondition nicht, daran muss ich arbeiten. Aber nach einer so langen Pause war ich froh, endlich wieder am Brett zu sitzen.

Die Tabelle und die einzelnen Runden sind hier zu finden: http://chess-results.com/tnr531325.aspx?lan=0&art=1&fed=GER

Bilder aller Turniere sind hier zu finden: https://www.flickr.com/photos/schachgipfel/albums

Kurzberichte und alle Partien finden sich auf der DSB Turnierseite: https://www.schachbund.de/dfem2020.html

Beim Meisterschaftsgipfel gab es auch Erfolge für Schleswig-Holsteiner:

Britta hatte ich ja schon als Triplesiegerin erwähnt.

Marta Michna wurde Deutsche Frauenblitzmeisterin, herzlichen Glückwunsch!

Michael Kopylov kam bis ins Finale des Deutschen Pokals und unterlag dann dort dem neuen Pokalsieger FM Igor Neyman. Kurios dabei: Igor spielte alle langen Partien Remis und setzte sich dann jeweils im Blitzentscheid durch.

Dies war leider vorerst meine letzte Deutsche Meisterschaft, die ich für Schleswig-Holstein gespielt habe.

Ich wohne seit 13 Jahren in Wolfsburg, und da es von dort nach Schleswig-Holstein sehr weit ist und es für mich auch sehr stressig ist, Schach zu spielen und danach noch 280 km zurückzulegen, habe ich jetzt den Landesverband gewechselt und spiele ab sofort für die Schachfreunde Fallersleben.

Ich möchte mich noch bei meinem Landesverband bedanken, der mir mehrere Deutsche Meisterschaften ermöglicht hat und für die vielen Helfer im Frauenschach. Ich bleibe dem Land noch verbunden, da ich noch passives Mitglied bei Doppelbauer bin und auch die Frauenkämpfe für Doppelbauer bestreiten werde.

Ulla Hielscher