Letztes Jahr hatte ich eine sehr gute Phase und konnte mit 4,5 Punkten die Offene Landesmeisterschaft von Schleswig-Holstein und Hamburg gewinnen.
Als Lohn durfte ich an den Deutschen Einzelmeisterschaften der Frauen in Bad Wiessee teilnehmen.
Da Bad Wiessee doch etwas weiter weg ist, machte ich mich am Donnerstag nachmittag mit dem Zug auf den Weg. Nach 7 Stunden erreichte ich München und stellte fest, dass dort der Bahnhof doch ziemlich groß ist. Da ich eine Stunde Zeit hatte, schlenderte ich noch etwas über den Bahnhof, wo es neben typischen bayrischen Brezeln und Snacks auch Weihnachtsmandeln gab, die ich mir aber nicht gekauft habe. Von München ging es weiter mit der BOB (Bayrische Oberlandbahn oder auch Bayrische Oberbummelbahn), nach einer weiteren Stunde erreichte ich schließlich Gmund am Tegernsee. Dort holte mich meine Schachfreundin Elke aus dem Saarland ab und fuhr mich zum Hotel zur Post, wo alle Spielerinnen untergebracht waren und wo auch gespielt wurde. Es nahmen 22 Teilnehmerinnen teil, Favoritinnen waren die Setzranglistenerste und unser 1. Brett in der Doppelbauer Frauenmannschaft Marta Michna, die Vorjahressiegerin und (Männer) IM Zoya Schleining und Filiz Osmanodja, aber auch die Jugendspielerin Jana Schneider aus Bayern sollte nicht unterschätzt werden.
In der 1. Runde kam sogar das Fernsehen vorbei, sehr zum Leidwesen von mir, denn sie filmten hauptsächlich die Partie von Jana, die neben mir saß. Der Kameramann stand direkt hinter meinem Stuhl, so dass ich mich recht eingeengt fühlte und mich nicht traute, aufzustehen. Ob es an ihm lag oder doch daran, dass Jade Schmidt (Hamburg) recht stark spielte, vermag ich nicht zu beurteilen, jedenfalls verlor ich die Partie. In der 2. Runde wartete die junge Spielerin Cecilia Lange aus Berlin auf mich mit 1880 momentan 200 DWZ Punkte besser als ich. Am Brett lief es aber gut für mich und ich konnte gewinnen.
In der 3. Runde war gegen Sonja Klotz eigentlich nicht viel los, aber mir war anscheinend zu langweilig, jedenfalls stellte ich eine Figur ein und verlor.
Am Abend gab es eine Führung durch Bad Wiessee mit einem Besuch eines kleinen Aquariums.
Am nächsten Tag bekam ich es mit der Siegerin der Internationalen Offenen Frauenmeisterschaft von 2016 Melanie Grund zu tun. Diese Partie konnte ich gewinnen.
Bad Wiessee bietet einiges für seine Touristen an und so machte ich mich mit Elke auf zum Gästeschießen. Dabei werden nicht die Gäste von Bad Wiessee erschossen, denn die werden ja noch benötigt, um Umsatz zu machen. Nein, beim Gästeschießen kann man für 3,50 Euro mit einem Luftgewehr auf Scheiben schießen. Als ich sah, wie weit die Scheiben weg waren, fragte ich nach Kinderscheiben, die es aber nicht gab. Auch hatte ich erhebliche Probleme mit meinem Gewehr, denn man sollte durch Kimme und Korn schauen und mit dem Korn zielen. Ich konnte aber nur durch das Korn sehen, aber ohne Kimme sieht man dann nicht so richtig was, mit der Folge, dass ich statt der Scheiben die Wand traf. Als ich schon entnervt aufgeben wollte (das ist nichts für mich), bekam ich einen Tipp, dass man einen Aufsatz auf das Gewehr ziehen konnte, was dann dafür sorgte, dass ich endlich etwas sah und oh Wunder auch die Scheiben traf, weil ich jetzt ein Zielfernrohr hatte. Beim Gästeschießen bekommt man am Ende auch noch eine Urkunde und unter den 7 Schützen (5 Männer und 2 Frauen) wurde ich zweiter, was aber nur daran lag, dass die 5 schlechtesten Schüsse nicht gewertet wurden.
Zurück zum Schach:
In der 5. Runde war mir wieder langweilig, denn ich opferte einen Bauern und stellte noch einen weiteren ein und stand eigentlich nicht so toll. Aber meine Gegnerin war sehr nett, denn sie verlor die Bauern einige Züge später auch wieder und irgendwann war ein Turmendspiel entstanden, das man lieber nicht auf Gewinn spielen sollte, was meine Gegnerin dann auch irgendwann einsah.
2,5 aus 5, läuft für mich.
Abends ging ich dann mit einigen Spielerinnen ins Casino und hier gewann ich doch tatsächlich einige Euros!
In der 6. Runde bekam ich es mit der Frau von Artur Jussupow zu tun, Nadia Jussupow. Ich überspielte sie total, hatte eine Figur mehr und es war nur eine Frage der Zeit, wann sie aufgeben konnte. Es gab nur ein Problem: Nadia hat über 400 DWZ Punkte mehr als ich, und ich sah mich schon als Heldin (eine so starke Spielerin voll überspielt, Zeit mehr, Figur mehr), wollte aber nichts falsch machen und investierte so viel Zeit, dass ich in Zeitnot kam. Aber mit 30 Sekunden Inkrement eigentlich noch machbar. Ich wollte indirekt die Türme tauschen, aber indirekt ist manchmal ein Problem, da es dann Zwischenzüge gibt. So auch hier, ich verlor einen ganzen Turm, hatte Läufer gegen Turm aber meine Bauern standen vereinzelt, und sie musste sie nur einsammeln. Also statt Heldin der Depp und eine Null. Ich war sehr frustriert und ging mit Elke ins Badeparadies. Die Partie fand übrigens der DSB Webmaster so beachtenswert, dass er sie auf der DSB Seite kommentiert hat, wer also starke Nerven hat, kann sie hier nachspielen: einfach in der Partieliste die zweite Partie auswählen.
Die 7. Runde spielte ich gegen Svetlana Morosova, eine Spielerin, die mit Vorsicht zu genießen ist. Sie hatte einige Jahre Schachpause eingelegt und spielt erst seit 2 Jahren wieder regelmäßig. Ihre Zahl täuscht über ihre tatsächliche Spielstärke, aber sie kommt immer in Zeitnot. In unserer Partie veropferte sie sich (glaube ich), um dann als es spannend wurde, auf Zeit zu verlieren. Also wieder 50%!
An der Tabellenspitze spielte sich die junge Jana Schneider nach vorne und führte zusammen mit Zoya Schleining mit 5,5 aus 7 die Tabelle an. Marta war mit 5 Punkten dritte.
Nach dieser Runde gab es erst einmal ein paar Cocktails und danach gingen wieder einige ins Casino. Hier gewann ich schon wieder, dieses Mal ein Viertel von dem, was ich am Dienstag gewonnen hatte.
In der achten Runde bekam ich eine junge talentierte Spielerin mit 400 DWZ mehr als ich, WFM Lara Schulze aus Lehrte. Ich bereitete mich gewissenhaft vor, sah, dass sie eine Variante spielt, die ich bisher immer verloren habe und suchte mir eine Variante raus, die Michael Ehrke erfolgreich spielt. Aber das war auch nicht so eine gute Idee, denn Michael spielt ja viel stärker als ich und die Variante war dann, auch wenn sie mir eigentlich gefiel, nichts für meinen Spielstil. Lara war zwar kurz aus dem Konzept gebracht, spielte aber solide dagegen, setzte mich ziemlich unter Druck und konnte dann schön gewinnen. Also 3,5 aus 8 und der Druck, dass ich in der letzten Runde gegen eine etwa gleichstarke Gegnerin gewinnen musste, um wieder 50% zu erzielen.
Auch hier bereitete ich mich gewissenhaft vor, aber sie fand eine unangenehme Erwiderung auf meinen Überraschungszug, so dass ich doch schon wieder ziemlich unter Druck geriet. Aber ich gab dann meinen Damenflügel für einen Königsangriff auf, sie war zu sehr auf den Damenflügel fixiert, und ich fand dann sogar am Brett eine hübsche Mattkombination, auf die ich recht stolz bin, auch wenn schon alles dafür vorbereitet war. Diese Mattkombination kann man beim Schachticker nachlesen und auch selber lösen, hier der Link.
An den ersten Brettern lieferten sich Zoya Schleining und Jana Schneider ein Fernduell um den Titel und Marta Michna versuchte noch, wenigstens die Vizemeisterschaft zu erreichen. Jana stand gegen Nadia Jussupow zwar auf Verlust, aber Nadia hatte ein ziemlich schlechtes Turnier und verlor diese Partie dann noch (als Ausgleich dafür, dass sie gegen mich glücklich gewann). Zoya spielte nur Remis, so dass Jana mit einem halben Brettpunkt Vorsprung die zweitjüngste Deutsche Meisterin aller Zeiten wurde (ein paar Monate jünger war Elisabeth Pähtz als sie Deutsche Meisterin wurde). Nun hatte Marta die Chance durch einen Sieg noch Vizemeisterin zu werden. Sie stand gegen Jutta Ries auch sehr gut, aber ließ dann ein zweizügiges Matt zu, welches Jutta aber nicht sah, so dass Marta die Partie gewinnen konnte und mit einem halben Buchholz Punkt Vorsprung Vizemeisterin wurde. Zoya blieb somit der dritte Platz. Ich selber erreichte mit 4,5 Punkten den 13. Platz, bei einem Setzranglistenplatz von 19 doch recht ordentlich.
Die Spielbedingungen, die Unterbringung und das Essen waren super, auch gab es einige Angebote im Rahmenprogramm für die Spielerinnen oder man konnte auch selber etwas unternehmen. Die 10 Tage sind viel zu schnell vorbei gegangen und ich sehe einige Spielerinnen jetzt erst zur Deutschen Ländermeisterschaft in Braunfels wieder und einige andere, falls ich mich mal wieder für eine Deutsche qualifizieren kann, denn meine zurzeit schwankenden Leistungen lassen keine Prognose zu, ob und wann das wieder passieren wird.
Alle Partien und die Tabelle findet man hier.
Fotos von den Spielerinnen, Bad Wiessee und mir beim Schießen findet man hier.
Ulla Hielscher